„So habe ich erkannt, dass meine Freundin in einer gewalttätigen Beziehung steckt“

Die Art, wie sie ihr Gesicht wegdreht, wenn ich versuche, ihren Blick aufzufangen. Ich weiß, er hat es wieder getan. Während sie in ihrem Kopf wieder zuerst die Ausreden durchgeht, die ihre blauen Flecke und die deutlich geschwollene Nase rechtfertigen, schaue ich sie einfach nur an. Sehe, wie sie sich entscheidet, mich nicht anzulügen, dafür aber nach Beweisen zu suchen, dass er es nie wieder tun wird. Er wird sich ändern. Ganz bestimmt. Das hat er versprochen. Wird er. Wird er doch, oder?

Nein, er wird sich nicht ändern. Er kann sich nicht ändern, er ist krank. Und nächste Woche wird er wieder einen Grund finden, sie zu schlagen. Oder wie letztes Mal sogar mit dem Messer zustechen. Da hat meine Freundin zum ersten Mal den Trick genutzt, den wir zuvor vereinbart hatten: Mein Telefon klingelt. Ich sehe die Nummer meiner Freundin auf dem Display. „Hallo, na alles gut?“ sage ich. „Ich hätte gerne eine Pizza Margherita mit Extra-Tomaten!“ Okay, ich weiß sofort, was zu tun ist. Beende das Gespräch im Pizzeria-Style, lege auf und rufe die Polizei. Die Margherita mit Extra-Tomaten ist unser Code dafür, dass sie Hilfe braucht und die kommt an diesem Abend, der tödlich hätte enden können. Endlich.

Das Thema häusliche Gewalt ist aktuell in aller Munde. Dank Blake Lively und ihrer leider viral gegangenen Art mit dem Thema von körperlichen Übergriffen in Beziehungen umzugehen. Für alle, die hier noch abgeholt werden wollen: Blake spielt in „It ends with us“ Lily Bloom, die Besitzerin eines Blumenladens, die in eine gewalttätige Beziehung stolpert. So weit, so wichtig. Doch leider nutzt Blake die Aufmerksamkeit nicht, um auf ihrer Pressetour zum Film Frauen, denen eben Selbiges widerfahren ist, Mut zu machen und Unterstützung aufzuzeigen. Nein, sie styled sich in aufwändigen Blumenroben passend zum Thema Floristin, wirbt für ihre neue Haarpflegelinie und gibt flapsig-schnippische Interview-Antworten statt hilfreicher Tipps. Das ist absolut schief gelaufen, doch das Gute ist, dass es dieses oft im Schatten der eigenen vier Wände stattfindende Thema ins Licht der Aufmerksamkeit rückt.

Sehr schade um diese verpasste Chance, aber umso schöner, dass es andere gibt, die hier in die Verantwortung treten: Zum Beispiel Yves Saint Laurent. Mit der Initiative „Liebe ohne Gewalt“ kann jede Frau testen und gegebenenfalls erkennen, ob sie sich in einer missbräuchlichen Beziehung befindet. Unter diesem Link und mit 15 Minuten Zeit ist es möglich, eine der vielleicht wichtigsten Antworten zu bekommen.

Im Fall meiner Freundin sorgte diese absolute Eskalation mit dem Polizei-Einsatz letzten Endes dafür, dass sie mich nicht mehr anlog und ich an sie rankam. Von da an konnte ich ihr gut zu reden und aufzeigen, wie sie sich von ihrem gewalttätigen Partner trennen kann. Ihr sagen, dass ihr Leben ohne ihn weitergeht und definitiv besser sein wird. Ich habe ihr geholfen ihn anzuzeigen und mit ihr alle Termine beim Amt gemacht für die Trennung der gemeinsamen Wohnung und allen administrativen Dingen, die anfielen. Der Trick war wirklich, sie an die Hand zu nehmen, viel zu reden und ihr beim Durchziehen zu helfen.

Wichtige Hilfestellungen für dich oder andere Betroffene

Heute lebt meine Freundin in ihrer eigenen Wohnung. Der Ex-Freund hat sich auch nach Ende des Kontaktverbots zum Glück von ihr ferngehalten und sie ist glücklicher Single. Ich kann nur jedem raten hinzusehen und nachzufragen. Auch, wenn es unangenehm ist. Dadurch können Leben verändert oder sogar gerettet werden.

*Aktuelle Studie der „Abuse is not love“-Organisation