| 08.05.2024 | by Alex

Ich bin fünf Mal durch die Führerschein-Prüfung gefallen und mache weiter

Ich mache meinen Führerschein mit 38 nach und falle ständig durch. Bisher hat es schon fünf Mal nicht geklappt. Es ist anstrengend, frustrierend UND teuer! Darum gebe ich trotzdem nicht auf.

Autofahren, wie schwierig kann das schon sein?! Jeder Vollidiot hat doch den Führerschein, oder? Ja, das dachte ich auch, als ich mich – ehrlich gesagt aus einer Schnapslaune (okay, Aperol Spritz-Laune) – abends spontan in der nächst gelegenen Fahrschule anmelde. „Das wird cool!“, sage ich zu meiner Freundin, die mich begleitet „Ein tolles Projekt, eine neue Herausforderung!“ Little did I know …

Easy Start – oder?

Das war August 2020. Die ersten Theoriestunden saß ich dann erst im November 2021 ab – jaha, es stellte sich heraus, dass mit Job, kleinem Sohn, Hund und und und es nicht eben mal so easy ist 14 x 1,5 Stunden im Theorieunterricht abzusitzen.

Überraschung! Als ich dieses dann abgehakt und einen ganzen (!!!) Samstag beim obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs abgeleistet hatte, verließ mich der Ehrgeiz und kehrte erst zurück, als Sohn Nummer zwei sich ankündigte.

Getty

Jetzt aber Vollgas

Auf keinen Fall durfte ich die 14 Mal umsonst in der Fahrschule abgesessen haben. No way! Also ab in die Lern-App und mal eben fast unter Wehen 1290 (Video-)Fragen ins Hirn hämmern. Kurz vor der Geburt mit einigen grauen Haaren mehr und 0 Fehlern bestehen. Und dann erst Mal Baby-Bubble. Aus dieser wurde ich aber jäh herausgerissen, denn auch die Theorie-Prüfung hat ein Verfallsdatum: 365 Tage!

Also mit drei Monate altem Baby ran ans Fahren lernen. Ich dachte, so schwer kanns nicht werden, Theorie habe ich ja easy gemeistert und immerhin hatte ich ja mit 18 und mit 20 schon mehrere Fahrstunden genommen und auch schon Prüfungen gemeistert vermasselt.

Neustart / Fehlstart

Ich lag ja sooooo falsch. In Hamburg ist das Fahren echt der Endgegner und mit den ganzen Hormonen vollgepumpt war ich plötzlich nicht mehr der Easy Rider von früher, sondern ein richtig schlimmer Schisser. Passt gar nicht zu mir, aber okay: New Personality unlocked. Dieser Mischung Adrenalin-Angsthase mit akutem Schlafmangel und Schnappatmung das Fahren beizubringen, war der absolute Horror und ich muss wirklich sagen: Hut ab und größte Empfehlung an meine Fahrschule.

Viele schlagen mir nach meinen Misserfolgen vor, sie zu wechseln und es auf dem Land zu versuchen. Für mich keine Lösung, denn erstens zähle ich auf den Support, den sie mir bieten und zweitens gilt mein Wohngebiet in Hamburg als das schwierigste Prüfungsgebiet Deutschlands. Und ich kenne mich: Würde ich woanders bestehen, würde ich immer denken: Aber in Hamburg kann ich’s nicht.

Dem Führerschein soooo nah: Der genaue Ablauf des Scheiterns

Nach einem halben Jahr Fahrtraining war ich dann offiziell prüfungsbereit und habe es trotzdem voll versemmelt. Hier eine kurze Übersicht über meine bisher 5 Super-Fails:

1. Der alteingesessenste Prüfer Hamburgs bricht die Prüfung beim Einparken ab und sagt ich muss an meinen Nerven arbeiten. Fahren könnte ich aber super …

2. Der zweite Prüfer ist weniger begeistert von mir und kommentiert fast jede meiner Aktionen. Er lässt mich bis zum TÜV zurückfahren und ich denke, ich habe bestanden. Gerade als ich schon die Konfetti-Kanone auspacken möchte, sagt er mir, dass ich wegen einem nicht perfekten Schulterblick durchgefallen bin. Meine verzweifelten Verhandlungsversuche scheitern und meine Theorie-Prüfung ist jetzt abgelaufen.

3. Oder halt: Meine Fahrschule zieht mich vor und ich bekomme noch einen spontanen Prüfungstermin VOR Ablauf meiner Theorie (für die ich 6 Wochen lernen musste …). Alles läuft super, der Prüfer ist furchtbar nett und tiefen entspannt und mit Blick auf den TÜV macht es plötzlich RUMMMSSSS – ich habe den Bordstein erwischt.

» Autofahren kann jeder Idiot, oder? ODER? «

4. Ein halbes Jahr Schriftverkehr mit dem Landesverkehrsverband und ich bekomme tatsächlich eine Verlängerung meiner Theorie und darf nach einigen Stunden Fahrtraining wieder antreten – kurz vor Weihnachten. Aber schnell wird klar: Ich habe trotz Hypnose und allen möglichem Support Todesangst vor der Prüfung und sabotiere mich selbst. An einer Kreuzung biege ich links ab, obwohl es verboten ist. Prüfung Nummer 4 – ciao!

5. Zwei Tage vor Weihnachten noch ein Versuch und um das Ganze abzukürzen: Ein Satz mit X das war wohl nix. 47 in der 30-Zone kommt nicht so gut an.

Ich muss gestehen, dass Prüfung 4 und 5 von vorneherein unter keinem guten Stern standen, denn dazwischen lag ein halbes Jahr komplette Fahrpause. Der extreme Zeitdruck. Dazu ist die Weihnachtszeit eh eine sehr stressige Zeit.

Getty

Und natürlich geben 5 durchgefallene Prüfungen einem nicht grade ein gutes Gefühl oder direkter gesagt eher Panikattacken. Jetzt sitze ich tatsächlich wieder 14 Mal im Theorieunterrsicht, werde demnächst wieder zur Theorieprüfung antreten und habe ab dann wieder 365 Tage für meine praktische Prüfung Zeit. Jeder, wirklich jeder, dem ich das erzähle, fragt mich: Warum gibst du denn nicht auf? Du kannst doch mit den Öffis fahren. Oder mit dem Lasti. Das stimmt, aber ich habe schon zu viel investiert. Ich möchte ans Ziel kommen. Ich möchte es schaffen. Ich möchte mein Traumauto, den Suzuki Jimny fahren. Ich möchte meine Kinder und meinen Hund in den Park fahren. Selbst.

Schlecht sein dürfen

Im Zeit Magazin habe ich gelesen, dass es gut tut, ein Hobby zu haben, in dem man schlecht ist. „Scheitern ist eine Übung in Selbstmitgefühl“, erklärt die Amateursurferin Karen Rinaldi, um die es sich im Artikel dreht. Die heute 62-Jährige surft seit vielen Jahren mit wenig Erfolg und viel Freude. Ganze 5 Jahre dauert es , bis sie ihre erste Welle steht. Ein Surfprofi wird sie aber auch noch lange dadurch nicht. Ist sie auch heute noch nicht. „Ich habe weniger Angst davor zu scheitern – auch bei den wichtigen Dingen wie Kinder erziehen oder der Ehe. Sich selbst zu erlauben, schlecht zu sein, gibt einem viel mehr Freiheit als darauf zu bestehen, besser zu werden.“

Das kann ich nur unterschreiben. Es ist richtig befreiend über das Nicht-Können zu sprechen. Durchzufallen. Zu verlieren. In einer Gesellschaft, in der sich alles um Selbstoptimierung dreht. Neulich habe ich wichtige Termine vertauscht und dadurch eine Frist verpasst. Früher wäre ich dafür ultrahart mit mir ins Gericht gegangen. Jetzt habe ich mich kurz geärgert und mir dann gedacht „okay, muss ich ausbaden. Next.“

Und Humor hilft. Selbstironie ist meine Super-Waffe. Deshalb schmunzle ich auch immer, wenn ich an die virale Geschichte der südkoreanischen Oma denke. Sie ist 949 mal in der Führerscheinprüfung durchgefallen, bis sie es geschafft hat. Davon bin ich aktuell noch weit entfernt…

Credits:

Getty